Predigt am Gründonnerstag 1994

Themen: Mt 18,20 allein bewirkt noch nicht die Eucharistie

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(Padre Alex)


Liebe Brüder und Schwestern in Christus, unserem Erlöser!

"Was bedeutet für dich Messe oder Eucharistie?" Auf diese Frage eines Freundes hat jemand geantwortet: "Die Worte Jesu: '... wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen' (Mt 18,20), diese Worte sind für mich in der Eucharistiefeier erfüllt, diese Gegenwart Jesu in der Versammlung ist für mich am wichtigsten." Vielleicht würden gar nicht wenige Katholiken sagen: Ja, stimmt doch, das haben wir doch in den letzten Jahren des öfteren gehört, ja gibt es da nicht sogar moderne Eröffnungslieder mit dem Text "Wo zwei oder drei ..."?

Doch schauen wir genauer: Diese Matthäus-Stelle steht zwar im Zusammenhang mit dem Bittgebet, aber sind wir alle, Priester und Laien, nur wegen dieser Verheißung Jesu heute, am Donnerstag seiner Abendmahlsfeier, in die Kirche gekommen? Eine Aufforderung, etwas regelmäßig rituell zu wiederholen, ist in diesen Worten nicht erkennbar. Ja, wir müssen noch klarer sagen: Diese gern zitierte Stelle allein führt uns noch nicht zum eigentlichen Geheimnis der Eucharistie, zum heute eingesetzten Meßopfer und Weihepriestertum Jesu Christi. Die wahre Vergegenwärtigung des Heilstodes Jesu in der hl. Messe beruft sich also vielmehr auf die an die Apostel gerichteten Worte Jesu: "Tut dies zu meinem Gedächtnis!" Das sind auch die Worte der ersten Priesterweihe im Abendmahlsaal. Solange die Erde steht, will sich der allein würdige Hohepriester Jesus Christus unter den Gestalten von Brot und Wein durch die Hände seiner Priester dem ewigen Vater für uns Sünder hinopfern. Eine wesentliche kirchenstiftende Handlung Jesu Christi also, die Stiftung seines eigenen Paschas, steht heute im Mittelpunkt der hl. Liturgie.

Jeder Christ weiß, daß Liturgie kein Menschenwerk ist. Sie ist im Kern ein Werk des dreifaltigen Gottes selbst. Ohne die allerheiligste Dreifaltigkeit hätte die heilige Liturgie weder einen Grund noch ein Vorbild. Liturgie ist nämlich das Opfer des ungeteilten Lobes, das Jesus Christus, der Sohn Gottes und Erlöser der ganzen Welt, als Hoherpriester des Neuen und Ewigen Bundes Gott dem Vater im Heiligen Geist darbringt. Nachdem er das blutige, ein für allemal die sündige Menschheit vor Gott rechtfertigende Opfer am Kreuz auf Golgotha dargebracht hat, setzt er seit seiner Auferstehung das unblutige Opfer der unsichtbaren, himmlischen, aber Leib und Seele umfassenden Hingabe an den Vater fort - ununterbrochen, bis er dem Vater alles unterworfen hat, sodaß dieser in Ewigkeit "alles in allem" sein kann. An diesem reinen Opfer Christi nehmen Engel und Menschen je in ihrer Weise teil, und von den Menschen auch die schon vollendeten Seelen in der himmlischen Herrlichkeit und die im Fegfeuer befindlichen. Um das harmonische Ineinandergreifen von himmlischer und irdischer Liturgie anzudeuten, spricht die Kirche stets von der "heiligen Liturgie", und das ist eine inhaltliche Stellungnahme: denn was ist heiliger als das, was unaufhörlich durch Herz und Hände Christi geht? Wir müssen uns heute auch das Urphänomen christlicher Liturgie in Erinnerung rufen. Es geht um die Dimension des Sakralen, es geht um das Heilige. Vor allem dieses Element des Heiligen gewährleistet, daß der gläubige Mensch eine Möglichkeit zum inneren Einschwingen in seinen Glauben, zum geistigen Aufatmen, zum befreienden und wohltuenden Heraustreten aus den Zwängen des Alltags bekommt.

Die Teilnahmeform, die uns auf Erden aufgetragen ist, besteht in der leibseelisch konkreten Mitfeier des Gottesdienstes in der Kirche, wodurch unsere Lebenswelt als ganze erfahrungsmäßig in das große Opfer Christi hineingestellt werden soll. Ihre besondere Würde und Wirkung hat diese uns aufgetragene Liturgie darin, daß sie ihr Zentrum im heiligen Meßopfer hat, d. h. darin, daß Christus selbst unmittelbar handelt. Denn wenn der gültig geweihte Priester in der heiligen Messe zwei irdische Grundnahrungsmittel, Brot und Wein, im Auftrag des Herrn in Leib und Blut Christi verwandelt, so ist nicht mehr der Priester der Handelnde, sondern Jesus Christus selbst, der diese allein Gott mögliche Verwandlungskraft durch den Priester hervorbringt. Die heilige Messe ist somit wesentlich das Werk Jesu Christi; sie ist damit die Quelle der Heiligkeit aller anderen Gottesdienste. Außerdem vereinigen sich in jeder heiligen Messe Priester und Laien durch die Hingabe ihres ganzen Lebens an Christus sowie durch den Empfang der heiligen Opferspeise derart tief mit Christus, daß tatsächlich eine Steigerung der Heiligkeit der Welt eintritt. Und erst diese von Gott geschenkte Steigerung der Heiligkeit unserer selbst und unserer engeren Umwelt ermöglicht uns, tatkräftig unsere Lebenswelt immer weiter zu verchristlichen. Ohne die hl. Kommunion erlahmt unser missionarischer Eifer rasch, geht er unklare Wege, vermischt er sich mit unserem Hochmut oder anderen unheiligen Impulsen. Die Frucht des Meßopfers ist also übernatürliche Einheit mit Gott und Heiligkeit. Abgesehen von den letzten drei Kartagen, versteht es sich daher von selbst, daß jeder Priester jeden Tag dieses heilige Opfer vollziehen soll! Also nicht nur, wenn "zwei oder drei versammelt sind." Es geht um den Zuwachs an Heiligkeit der Welt, und dies darf nicht von der Teilnehmerzahl abhängig gemacht werden. Der Sinn der Liturgie sowohl im Himmel wie auf Erden ist es ja, auszudrücken und zu bezeugen, daß die Einheit mit Gott das wahre Glück, die echte Seligkeit ist, und Gott zu bitten, daß möglichst bald alle Lebewesen "das Knie beugen" vor ihm, unserem ewigen Vater. Der Zweck des christlichen Kultes, der sämtliche alttestamentlichen Kultopfer überbietet und erfüllt, ist also das Verbundenwerden mit der Person und Sendung des gekreuzigten und auferstandenen Gottmenschen Jesus Christus, und das nicht in rein vergeistigter Weise, sonder leib- und geisthaft, eben sakramental greifbar.

Darum gibt es ohne Kommunion keinen echten geistlichen Fortschritt. Christus hat nie deutlicher gesprochen, als wo es sich um das allerheiligste Sakrament handelte. Er hat ein Jahr vor seinem Tode, nach der wunderbaren Brotvermehrung, bei der bekannten Kommunionpredigt in der Synagoge von Kapharnaum, trotz des Widerspruchs vieler Zuhörer erklärt: Mein Leib ist wahrhaft eine Speise. Er hat ein Jahr später, am Tag vor seinem Sterben, heute am Gründonnerstag also, nachdem er das Brot gesegnet hatte, mit einer über alle Bedenken erhabenen Klarheit gesagt: Das ist mein Leib. Es handelte sich also nicht bloß um ein historisch interessantes Abschiedsmahl, nicht bloß um eine jüdische Gesetzeserfüllung, nein, es war die vorwegnehmende Erneuerung des am Tage darauf darzubringenden Kreuzesopfers, es war sein Pascha im Blick auf sein Leiden, das erst überholt sein wird am Tag der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus. In dem Augenblick, da Israel verstockt war und die Erinnerung an den Alten Bund feierte, wurde Jesus selbst zum Bundesstifter so wie im Alten Bund Jahwe, Gott selbst! Jesus war also nicht nur wie Mose Vermittler des Bundes, sondern auch göttlicher Stifter des Bundes, und er bekräftigte diese göttliche Stiftung mit seinem hingegebenen Leib und vergossenen Blut zur Vergebung der Sünden. "Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut." Der Neue Bund ist also keine Erneuerung des alten, wie wir schon durch den Propheten Jeremija klar angedeutet bekommen. Der Wiederholungsbefehl Jesu, die Einsetzung des eucharistischen Opfersakramentes und des Weihepriestertums, zeigen mit aller Klarheit, daß Jesus eine Zeit der Kirche beabsichtigt hat.

Für diese Zeit hat Jesus am heutigen Abend vor seinem Leiden auch gebetet: "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein". Die Eucharistie erbaut die Kirche. Wer sie empfängt, wird enger mit Christus vereint. Dadurch vereint ihn Christus auch enger mit allen Gläubigen zu einem einzigen Leib: zur Kirche. Die katholische Kirche ist nach dem Willen Jesu Christi jene ganz konkrete Glaubensgemeinschaft, deren Mitglieder denselben wahren Glauben bekennen, dieselben Sakramente empfangen und derselben kirchlichen Leitung durch den Papst und die ihm verbundenen Bischöfe unterstehen. Die Kommunion erneuert und vertieft die Eingliederung in die Kirche, die bereits durch die Taufe erfolgt ist. Wie wir heute am Gründonnerstag klarer sehen, hat jeder Bischof als Nachfolger der Apostel in sich alle Weihegewalt erhalten. Somit bildet jeder Bischof gewissermaßen eine Kirche im Keim. Nach dem Willen Christi müssen sich daher alle Bischöfe dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des hl. Petrus, sichtbar unterstellen, damit sie alle zur einzigen Kirche Christi geeint sind. Jetzt wird uns vielleicht noch klarer, wie sehr Jesus unter den Sünden gegen die Einheit und gegen den Glauben leidet. Ob wir nun an den Rechtsbruch, der durch Bischöfe in Form von päpstlich nicht genehmigten Bischofsweihen geschah, oder ob wir an "Karrieristen" denken, die unter Vortäuschung des rechten Glaubens eine nicht so gut sichtbare Unterwanderung von kirchlichen Positionen planen, die oft erst dann ihr wahres Gesicht vollständig zeigen, wenn die Karriereleiter plötzlich nicht mehr funktioniert ... Vergessen wir nicht das heutige Evangelium: Schon im Abendmahlsaal hat der Teufel dem Judas ins Herz gegeben, Jesus zu verraten und auszuliefern.

Unsere Antwort auf die Liebe Christi bis zur Vollendung, unsere Antwort auf die demütige Fußwaschung durch Jesus kann jedoch nicht Verrat sein, sondern muß das brennende Verlangen sein, Jesus wieder einmal zu empfangen nach einer guten Vorbereitung, d. h. zu Ostern nach einer gültigen hl. Beichte, und ihn wieder einmal zu besuchen. Wo Christi lebendiger Leib ist, da ist auch sein Blut und seine Seele, denn es gibt keinen lebendigen Leib ohne das eine und das andere. Und wo Christi Menschheit, da ist auch Christi Gottheit, denn die eine ist mit der anderen untrennbar in einer Person verbunden. Und somit ist die katholische Kirche als die Wohnung der heiligen Hostie im Tabernakel die Wohnung Christi. Hier wohnt Jesus wahrhaft, wirklich, wesentlich. Das Telefonbuch weiß nichts davon, aber nach dem Evangelium ist es unzweifelhafte Wahrheit!

Alles muß also eucharistisch orientiert sein, Jesus denken, Jesus betrachten, zu Jesus gehen, mit Jesus reden. Wäre es für mich nicht ein gutes Opfer, hie und da am Werktag eine hl. Messe zu besuchen? Die christliche Religion ist nämlich die Religion des Kreuzes. Im Mittelpunkt des religiösen Lebens steht die tägliche Wiederholung des Opfers von Golgotha, also die hl. Messe. Daraus folgt: Wir müssen Schüler des großen Opferers vom Kalvarienberg werden. Wir müssen Kreuzträger werden. Jesus wäre traurig, wenn der erste Grund des heutigen Abends eine kollektive Versammlung wäre und nicht in absolut dominierender Weise die Verherrlichung Gottes durch ihn und mit ihm und in ihm. Jesus wäre traurig, wenn das einseitige Betonen einer Mahlgemeinschaft dazu führte, daß die Teilnehmer an seinem Opfer in der Messe ihre Verpflichtung zu Sühne und Opfer im Leben vergessen, er wäre traurig, wenn die Kommunizierenden ihre im Leben geforderte Bereitschaft zum Martyrium, zum klaren Bekenntnis der ganzen katholischen Glaubens- und Sittenlehre vergessen würden. Die Frage des Freundes zu Beginn hätte also auch so lauten können: Sag' mir also, ob und wie du eucharistisch bist, und ich werde dir sagen, ob du katholisch bist. AMEN.


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